Das geplante Handels- und Investitionsabkommen EU-USA
(Transatlantic Trade and Investment Partnership [TTIP])
Aufgeschreckt durch Aktionen sogenannter „Nicht Regierungsorganisationen“ (NGOs) wie Campact, BUND e.V., Greenpeace, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Forum Umwelt & Entwicklung und viele andere mehr, sind die Bürger beiderseits des Atlantiks aufgerüttelt worden. Wir sollten uns bedanken bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern der NGOs, die für uns mitdenken und handeln.
Wir, die Bürgerinnen und Bürger müssen den verantwortlichen Politikern auf die Sprünge helfen, in dem wir die Szene aufmerksam verfolgen. Am 25. Mai 2014 wird das Europaparlament neu gewählt; ein hervorragender Anlass, an der Gestaltung unseres Daseins mitzuwirken.
Unter der Flagge “Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA” segelt diese geplante Vereinbarung, die das weitreichende Ziel der größtmöglichen Barrierefreiheit beim Handel weltweit operierender US-amerikanischer und EU-europäischer Konzerne verfolgt. Freihandelsabkommen, hört sich gut an, wäre aber ein Abkommen, das die Frage aufwirft: Wem nutzt es?
Die Regierungen Europas und der USA planen dieses “transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen” (TTIP), dass noch mehr Wachstum, noch mehr Profite und noch mehr Freiheit für die Großkonzerne generieren soll. BMW und Monsanto freuen sich, auch Deutsche Bank und JP Chase Morgan, BASF, Dupont und Google, Bertelsmann und ExxonMobil, um nur einige der weltweit agierenden Wirtschaftsriesen zu nennen.
Offiziell ist außer einigen unverbindlichen Verlautbarungen bisher nichts Konkretes bekannt geworden. „Vertraulichkeit wahren“ nennen die Handelnden der EU-Kommission dieses Zurückhalten von Informationen. Die viel beschworene Vertraulichkeit der EU-Verhandlungsdokumente für TTIP, die angeblich ein Durchsickern nach Washington zur US-Administration zu verhindern soll, gibt es nicht (mehr).
Die US-amerikanische National Security Agency (NSA) lässt grüßen!
Die Geheimhaltungsbemühungen der EU-Kommission und auch der Bundesregierung dienen ausschließlich dazu, die Details der Handelspolitik vor der eigenen Bevölkerung, vor kritischen ParlamentarierInnen, BürgerInnen, WissenschaftlerInnen, NGOs und Medien unter der Decke zu halten. Wer jedoch nach dem aktuellen Abhörskandal der NSA immer noch an Geheimhaltung glaubt, ist schlicht doof oder von bösartiger Ignoranz.
Was liegt bei dieser komplexen Sachlage also näher, als die von uns gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments (EP) zu fragen. Denn, wenn TTIP keine gute Sache ist, muss es scheitern.
Norbert Neuser, SPD-Mitglied im EP, ist unser Mann, wenn von kritischen ParlamentarierInnen die Rede ist. Deshalb haben wir uns an ihn gewandt, um mehr zu erfahren, als es die offiziellen Medien können oder wollen.
Bernd Lange, ist handelspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Europaparlament. Er forderte die EU-Kommission auf, „endlich die fundamentalen europäischen Positionen klar zu machen.“ Besonders Verbrauchersicherheit, Arbeitnehmerrechte und die Erhaltung gesetzgeberischen Handlungsspielraums stehen dabei für den SPD-Europaabgeordneten im Vordergrund: “Die amerikanischen Partner müssen wissen, dass auf EU-Seite keine Zustimmung erwartet werden kann, wenn diese zentralen Bereiche nicht zufriedenstellend berücksichtigt werden.
Lesen Sie hier in Kurzform das Kernstück zum TTIP aus sozialdemokratischer Sicht.
“Sozialdemokraten stellen klare Bedingungen an Handelsabkommen”
TTIP PM – SPD-MdEP Bernd Lange 13 Dez 2013
In wenigen Sätzen zusammengefasst trifft es genau den Punkt, der die deutschen und europäischen Verbraucher aufs Höchste alarmieren sollte:
“Gerade im Lebensmittelbereich gelten in der EU deutlich höhere Standards als in den USA”, erklärt Bernd Lange und warnt davor, das Vorsorgeprinzip der EU durch das Abkommen aufs Spiel zu setzen: “Geklontes, hormonell behandeltes oder genetisch verändertes Fleisch darf nicht auf europäischen Tellern landen.” Ebenso fordert er, fundamentale Arbeitnehmerrechte in einem zukünftigen Abkommen zu verankern: “Nur wenn das Abkommen die Vereinigungsfreiheit, die Anerkennung von Gewerkschaften und die Schaffung von Betriebsräten garantiert, können wirtschaftliche Effekte des Abkommens auch zum Vorteil der Arbeitnehmer und zur Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze genutzt werden.”
Umfassender beschreibt Bernd Lange in einem weiteren Brief in fünf Thesen die sozialdemokratischen Positionen zum beabsichtigten Freihandelsabkommen.
Das geplante Handels- und Investitionsabkommen EU-USA
(Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP))
– sozialdemokratische Positionen –
TTIP Positionspapier – SPD-MdEP Lange
1) Keine Handelsverhandlungen ohne demokratische Kontrolle
2) Warum ein Handelsvertrag sinnvoll sein kann: Unsere offensiven Interessen
3) Welche Risiken gibt es: Unsere defensiven Interessen
4) Nicht verhandelbar
5) Wer hat den Nutzen?
Bernd Lange weiter: Klar ist: Die Stärkung von Arbeitnehmerrechten und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze – das passt zu uns Sozialdemokraten. Deshalb lohnt es sich, anzupacken und mitzugestalten. Es wäre grob fahrlässig, es nicht mindestens zu versuchen. Unsere sozialdemokratischen Positionen sind klar. Die EU-Kommission weiß also, worauf es den sozialdemokratischen Europaabgeordneten ankommt. Sie muss in den Verhandlungen beweisen, dass sie Willens ist, dies auch umzusetzen. Ansonsten werden wir Sozialdemokraten dem Abkommen nicht zustimmen.
Ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments wird das Abkommen nicht in Kraft treten.
Dass wir unser Vetorecht sehr ernst nehmen, hat die deutliche Ablehnung des geplanten ACTA-Abkommens (Anti-Counterfeiting Trade Agreement; bedeutet zu deutsch: Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen) durch das EP – und damit sein Scheitern – gezeigt. Bis zur Entscheidung über TTIP werden die Verhandlungen in engem Austausch mit der Europäischen Kommission genauestens verfolgt. Das Europäische Parlament wird erst in der nächsten Legislatur, frühestens in 2015 über seine Zustimmung zu dem Abkommen entscheiden. Dann hat das EP wieder das entscheidende Wort.
Insofern sind die Wahlen zum nächsten Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 auch in dieser Frage von grundlegender politischer Bedeutung.
Handel ist kein Selbstzweck, sondern muss die Situation von ArbeitnehmerIinnen verbessern und grundlegende Umwelt- und Sozialstandards berücksichtigen, dafür stehen wir Sozialdemokraten.
Die alles umfassende Frage lautet also: Brauchen die Menschen in Europa, den USA und im Rest der Welt wirklich einen großen, deregulierten transatlantischen Markt? Eine Antwort auf die eigentlichen Fragen gibt TTIP nicht: Wie wollen wir leben? Was ist ‚gutes Leben‘ ohne die Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt? Wie können wir in den ökologischen Grenzen des Planeten wirtschaften und dabei gute, fair bezahlte Arbeit sichern? Wie können wir Ernährungssouveränität für alle erreichen?
Hier noch ein verlinkter Beitrag, der uns als besonders geignet erscheint, den Bürgerinnen und Bürgern, mehr Verwirrung als Aufklärung in der Sache TTIP anzudienen.
In 23 EU-Sprachen ist „Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Mai 2013 zu den Verhandlungen der EU mit den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Handels- und Investitionsabkommen“ nachzulesen.
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2013-0227+0+DOC+XML+V0//DE