SPD-Politiker will Hartz IV abschaffen …

… und durch “solidarisches Grundeinkommen” ersetzen. Was steckt dahinter?

Die Angst der SPD, noch tiefer zu fallen? Kommt jetzt doch noch Bewegung in die verhärtete und verkrustete Hartz IV-Geschichte? Ich persönlich glaube zunächst “Nein”.

Berlins Regierender Bürgermeister und Bundesratspräsident Michael Müller will Hartz IV abschaffen und ein solidarisches Grundeinkommen einführen.

Um allen Irrtümern vorzubeugen: Das solidarische Grundeinkommen steht in keinerlei Zusammenhang mit dem “Bedingungslosen Grundeinkommen für alle”, das in unserem Land eine bedeutende Schar von Anhängern begeistern könnte. 

Michael Müller kennt als Berliner Oberbürgermeister
alle Nuancen eines prekären Lebens. Als Sozialdemokrat
sieht er es als seine Pflicht an, den Bürgerinnen und Bürgern
nicht nur in seiner Stadt das Leben menschwürdig zu gestalten.

Die “Berliner Zeitung”  hat die Idee von Michael Müller, die dieser bereits im Oktober 2017 vorgeschlagen hatte, am 19.03.2018 und 21.03.2018 in großer Aufmachung veröffentlicht. Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, der Sender Radio Berlin Brandenburg (rbb) und weitere Pressorgane gaben Müllers Gedanken breiten Raum. Auch Thüringens SPD-Landesvorsitzender Wolfgang Tiefensee hat sich für eine Neuausrichtung des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV) ausgesprochen. Er unterstützte am Dienstag in Erfurt den Vorschlag von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er sprach dabei direkt das «solidarisches Grundeinkommen» für Langzeitarbeitslose an, die dafür im kommunalen Bereich beschäftigt werden sollen. Sogar der neue Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will vier Milliarden Euro bereitzustellen, um Langzeitarbeitslosen eine langfristige Perspektive in einem sozialen Arbeitsmarkt zu bieten.

Kommt nun tatsächlich Bewegung in die Hartz IV-Szenerie?
Für die Altvorderen der SPD und bei den Seeheimern in der SPD müsste es als Implosion empfunden werden, wenn nach 15 Jahren sturen Festhaltens und Verteidigen der menschenunwürdigen Hartz IV-Zumutungen, die Verantwortlichen sich zumindest im Korrekturverfahren von ihren unseligen Gesetzen des Jahres 2003 verabschieden müssten. Die Frage muss jetzt erlaubt sein, warum die Sozialdemokraten während der GroKo-Verhandlungen kein vernehmbares Sterbenswörtchen über dieses Thema verloren.

Was bedeutet nun Müllers “Solidarisches Grundeinkommen”?
Bereits am 30. Oktober 2017, also gut eine Woche nach der Bundestagswahl erklärte Michael Müller in der Süddeutschen Zeitung in einem Beitrag seinen Vorschlag  unter dem Titel:

Solidarisches Grundeinkommen statt Hartz-IV-Keule 

“[…]  ein Teil der alten Kernklientel nimmt der SPD immer noch die Hartz-IV-Reformen übel. An sie richtet sich das Angebot eines solidarischen Grundeinkommens. Die Gesellschaft dürfe sich nicht damit abfinden, dass Kinder in die Langzeitsarbeitslosigkeit hineinwachsen, dass Menschen komplett aus dem System fallen. “Wieso finanzieren wir den Ausschluss aus der Gesellschaft, anstatt uns um die Teilhabe zu bemühen?”, fragt der Regierende Bürgermeister. “Wieso machen wir mit dem vielen in Sozialetats veranschlagten Geld aus den verwaltenden Arbeitsagenturen nicht endlich “Arbeit-für-alle-Agenturen”?”

Müllers Vorstellung ist, dass für die monatliche Vergütung dringend benötigte Jobs im kommunalen Sektor zu übernehmen wären. Hausmeisterarbeiten in Schulen, Betreuung von Kindern, Senioren oder Flüchtlingen, die Leitung von Kursen in Sportvereinen und ähnlichen dauernd anfallenden Beschäftigungen sollten sozialversicherungspflichtig sein und mit mindestens 1200 Euro netto pro Monat vergütet werden. Ausdrücklich, so Müller, soll die ehrenamtliche Tätigkeiten keine Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt werden.

DIW-Chef Marcel Fratscher unterstützt den Vorschlag zur Abschaffung von Hartz IV
Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) hat Müllers Vorschlag, den dieser schon bei Antritt der Bundesratspräsidentschaft im Herbst 2017 erstmals vorbrachte, bereits durchgerechnet: Bei geschätzt 100.000 bis 150.000 Menschen, die für die Maßnahme in Frage kämen, würden auf die öffentlichen Haushalte demnach Kosten von 500 bis 750 Millionen Euro pro Jahr zukommen. Bezieher des solidarischen Grundeinkommens würden nach Berechnungen des DIW profitieren: Ihr verfügbares Einkommen würde im Vergleich zum Arbeitslosengeld II steigen – je nach Beziehungsstatus und zusätzlichen Leistungen wie Kindergeld und Wohngeld um mindestens 200 Euro.

DGB-Chef äußert sich positiv zu Müllers Vorschlag
DGB-Chef Reiner Hoffmann äußerte sich bereits positiv zu Müllers Vorschlag: „Der Denkanstoß eines solidarischen Grundeinkommens geht in die richtige Richtung, wenn damit, wie von Müller angedacht, ein sozialer Arbeitsmarkt gefördert wird.“

 

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2 Antworten zu SPD-Politiker will Hartz IV abschaffen …

  1. Volker sagt:

    Das ganze ist doch immer wieder Thema, aber bis dato hat sich in diesem Bereich nichts getan. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich in Zukunft etwas daran ändert.

  2. Alfons Maximini sagt:

    Da gibt es irgendwo einen Haken. Es trifft nur Langzeitarbeitslose ca. aktuell 1 Mio Menschen. Dann gilt der Primat der angeordneten Fortbildungen vom JOB Center. Die Einschränkung bezieht sich auf Arbeiten in öffentlichen Einrichtungen auch in hoch sensiblen. M.W. gibt es aktuell 5 Mio Arbeitslose, davon 1 Mio Langzeitarbeitslose. Es wäre auf jeden Fall mal ein Anfang. Besser ist natürlich die Rücknahme der unseligen Hartz IV-Gesetzgebung. Der Ursprung des sozialdemokratischen Niedergangs.

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