Die lustige Überschrift einer Wochenzeitung, die mir gefallen hat, meint aber,
dass auch Sigmar Gabriel nun zu den Absahnern gewechselt ist. Mit der SPD habe das nichts zu tun, so der frühere Parteivorsitzende als Rechtfertigung seiner ungebremsten Geldsammlung.
Die große Not ist über den Siggi Pop Gabriel hereingebrochen, der sich heute(!) als ein ehemaliger deutscher Politiker und heutiger Berater und Publizist vorstellt. Die acht Jahre als SPD-Vorsitzender haben ihn wohl nicht zum reichen Mann gemacht; eher aber die weiteren Ämter und Funktionen als niedersächsischer Landtagsabgeordneter, als Ministerpräsident von Niedersachsen, als Bundestagsabgeordneter, als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, als Bundesminister für Wirtschaft und Energie, als Bundesminister des Auswärtigen und nicht zuletzt als Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Nach Niederlegung aller seiner Ämter diente er sich bei der Deutschen Bank, bei Siemens Energy, beim Beratungsunternehmen Deloitte, bei Holtzbrinck an. Letztendlich brach aber das 10.000 € Engagement beim Fleischkönig Tönnies seine bis dahin einigermaßen vertretbare Reputation als „Expolitiker“. Geld scheffeln ohne Skrupel scheint die neue Devise Gabriels zu sein. In gleicher Tonart wie Exkanzler Schröder soll er bei jeder Gelegenheit betont haben:
„Wir machen nichts Verbotenes, wir sind niemandem rechenschaftspflichtig, wir sind keine Politiker mehr. Ihr habt uns aus der Parteiführung beziehungsweise aus dem Kanzleramt gemobbt, jetzt zeigen wir euch, dass wir auch ohne euch zurechtkommen, und zwar besser, als ihr Moralapostel es euch in euren feuchtesten Träumen vorstellen könnt.“
Und das soll nichts mit der Partei zu tun haben?
Recht hat er, wenn er behauptet, Franz Müntefering meinte einst, Vorsitzender der SPD zu sein, sei das schönste Amt neben dem des Papstes. Irgendwo und in Folge dieser Feststellung heißt es aber auch, dass Münteferings Vergleich Anspruch und Fallhöhe des Amtes bedeuten. Für SPD-Vorsitzende sollte aber nicht der Papst die Vergleichsgröße sein; vielmehr hat die SPD August Bebel, Kurt Schumacher und in der neueren Zeit Willy Brandt als die leuchtenden Vorbilder in ihrer Galerie.
Schade, lieber Sigmar Gabriel! Du warst ein Hoffnungsträger der gebeutelten SPD und wirst jetzt aber kaum mehr Zugang in die Ehrentafel der besonderen Sozialdemokraten finden.
Die Ahnenbetrachtung der Partei hat aber auch positive Aspekte, hat sie doch auch leuchtende Vorbilder, die aber letztendlich der Teufel holte, weil sie gewissen (SPD-)Kreisen innerhalb der Partei nicht ins Kalkül passten. Dieses Kalkül war stets beschrieben als scheinbar dürftige Leistungen oder man ertrug sie nicht, weil Sie nicht einer bestimmten Parteilinie folgten, z.B. der verhängnisvollen Agenda 2010. Letzteres passierte zum Beispiel Kurt Beck und auch Matthias Platzek, die zu viel Sozialdemokratie ins Amt einbringen wollten.
Wolfgang Michal schrieb in der Wochenzeitung derFreitag die folgende Charakteristik: „Manche gehen von der Fahne, andere ziehen sich zurück, einige starten Rachefeldzüge. Sigmar Gabriel, der dünnhäutigste und hellsichtigste unter ihnen, sagte, als seine Genossen an ihm herummäkelten: „Ich schreibe in mein Testament, dass man mich ausstopfen darf, dann darf man mich in den Keller des Willy-Brandt-Hauses stellen und immer, wenn ein Schuldiger gesucht wird, dürfen sie mich rausholen.“
So ist er, der Siggi. Ein selbst ernanntes Opferlamm, stets beleidigt, wenn ihn jemand „grundlos“ kritisiert. Er sieht einfach kein Problem darin, einem Ausbeuter wie dem Fleischfabrikanten Clemens Tönnies zu helfen. Er sieht auch keinen Widerspruch zu den Grundwerten der SPD. Das ist ungefähr so, als wäre Papst Benedikt XVI. nach seinem Amtsverzicht Aufsichtsrat bei der Vatikanbank geworden, wo er gnädig darüber hinweggesehen hätte, wie die italienische Mafia ihre lateinamerikanischen Kokain- Einnahmen einer Geldwäsche unterzieht. Die Kernfrage in der Causa Gabriel lautet deshalb: Wie ist es möglich, dass ehemalige SPD-Vorsitzende zu geldgierigen Absahnern werden?“
„Doch um die Jahrtausendwende, genauer gesagt: mit der neoliberalen Wende der SPD unter Gerhard Schröder vergaßen manche Vorsitzende die Würde des Amtes und ließen schon mal den Larry raushängen. Das lag keineswegs an ihrer ´Herkunft aus kleinsten Verhältnissen´, wie uns manche Küchenpsychologen weißmachen wollen.“ – so Michal weiter.
Hubertus Heil, derzeit Bundesminister für Arbeit und Soziales und seit Dezember 2019 stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD zitiert verschämt seine Mutter, statt dem früheren Gabriel die Leviten zu lesen. Die hätte zu Gabriel gesagt: „So was macht man nicht“.