Wahrheit in der Politik – nur wenn sie gerade passt?
1. Alle Kriegsherren haben einen gemeinsamen Feind: die Wahrheit
2. Kein Volk ist besser oder schlechter als dein eigenes
3. Jeder Krieg ist eine Niederlage. Denn Krieg vernichtet Leben
4. Wer Kriege im Namen Gottes führt, ist stets des Teufels
5. Es gibt weder gerechte noch heilige Kriege
Im Krieg gilt ausnahmslos Punkt 1. aus Leo Tolstois Regelwerk; auch im gegenwärtigen.
Professor Thomas Fischer, früherer Vorsitzender Richter des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, hat es sich heutzutage zur Aufgabe erkoren, als kritischer Kolumnist und streitbarer Zeitgenosse, der Wahrheit nahe zu kommen, die er in seiner aktiven Zeit als Bundesrichter zu finden verpflichtet war.
Keine mundgerechten Häppchen für die Mitmenschen, sondern die oft unangenehme Wirklichkeit auszusprechen, kann sich der ehemalige höchste Strafrichter Deutschlands leisten, ohne Zweifel oder Bedenken moralischer Natur über das eigene richtige Handeln zu hegen.
Die besondere Herausforderung stellt sich ihm auch bei Bewertung der politischen Verhältnisse in Deutschland, hier insbesondere zu aktuellen Handlungsweisen der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP zum Schwerpunkt Ukrainekonflikt.
Der schweizerische Infokanal „INFOsperber“ hat eine Kolumne Fischers im Magazin DER SPIEGEL aufgegriffen und die markanten Gedanken von Prof. Thomas Richter herausgestellt. Frei von Besserwissen und ohne Parteinahme dienen dessen Vorstellungen zum aktuellen und rückblickenden Zeitgeschehen der zuverlässigen Orientierung.
Auszüge aus der Kolumne könnten den Wunsch nach mehr erwecken. Hier kurz herausgegriffen sind zwei Hinweise, die sowohl die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock als auch den „frischen“ Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland Robert Habeck erfassen:
„Sie habe eine «Sehnsucht nach Sicherheit», teilte die deutsche Aussenministerin am 18. März der Welt mit. Sie fügte hinzu, diese Emotion sei ihrer Generation (sie ist 1980 geboren) «vielleicht neu». Interessant waren die beigegebenen ministeriellen Merksätze, zum Beispiel:
«Bei Fragen von Krieg und Frieden, bei Fragen von Recht und Unrecht kann kein Land neutral sein.»
Dieser schöne Satz wurde zufällig am 60. Jahrestag der Verträge von Evian (18. März 1962) gesprochen, die den achtjährigen Kolonialkrieg Frankreichs gegen die algerische FLN beendeten. Nach vorsichtigen Schätzungen kamen etwa 180’000 algerische und 30’000 französische Kämpfer sowie fast 100’000 algerische Zivilisten um. Natürlich war der Algerienkrieg nicht dem Ukrainekrieg gleich; doch um «Recht und Unrecht» ging es auch damals, ebenso wie in allen anderen Kriegen mal eher nicht.“
und zu Robert Habeck meint Prof. Fischer:
„Krieg und Frieden, Recht und Unrecht. Keine Neutralität, auch nicht für Deutschland. Da hat jemand eine Offenbarung vernommen: reine, einfache Wahrheit. Man muss hier anmerken, dass es schon vielen Generationen zuvor ganz ebenso gegangen ist: Sie fühlten eine Sehnsucht und füllten sie mit dem Vaterland. Manche, wie etwa Robert Habeck, brauchten dazu etwas länger. Im Januar 2010 schrieb er noch:
«Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiss es bis heute nicht.»
Allerdings müsste man das analytische Instrumentarium von der Unmöglichkeit deutscher Neutralität in Fragen Krieg & Frieden, Recht & Unrecht noch ein bisschen nachschärfen, wie der Epidemiologe sagt.
Minister Habeck, zu Gast beim Emir von Katar, sprach am 19. März, man könne zwecks Gasversorgung nicht nur bei lupenreinen Demokraten einkaufen. Doch ein autoritärer Staat mit schlechter Menschenrechtssituation sei besser als ein autoritärer Staat mit völkerrechtswidrigem Krieg. Da traf es sich gut, dass man tags zuvor entschieden hatte, dass Russen nicht an der Fussballweltmeisterschaft in Katar teilnehmen dürfen, dem Land, dessen Bevölkerung aus 88 Prozent weitgehend rechtlosen Arbeitsemigranten und geschätzt 40’000 Sklaven besteht.“
und zum derzeitigen Regierungsabbild hat Prof. Thomas Fischer auch noch ein zusammenfassendes Urteil gebildet:
„Gegen einen schönen Konjunkturschub nach zwei Jahren bitterer Coronanot ist nichts einzuwenden. Aber dass der Regierung dazu nichts Besseres einfällt als ein 100-Milliarden-Rüstungsprogramm, hätte vor 25 Jahren zum Massenhungerstreik sämtlicher Landeskirchen, Gewerkschaften, Universitäten und Biobauernhöfe geführt. Und zwar zu Recht.“
Auch mit persönlich als Verfasser dieses Blogs hat man in die sogenannte Ecke der Relativierer zu drängen versucht, weil ich mich angeblich nicht deutlich genug von Wladimir Putin und Russland distanziert habe.
Das gleiche hat wohl Prof. Thomas Fischer geahnt, als er die meines Erachtens hochkarätige Kolumne mit den Worten abschloss:
„Ich muss abschliessend zugeben: Dieser Text steht im Verdacht, das Gedankenverbrechen der «Relativierung» zu begehen. Es ist, so meine ich aber, kein Auftrag der Ehre, für das Vaterland zu sterben. Ich trauere um jeden, dem die Sehnsuchtsstrategen einen Ehrenkranz aufs Grab werfen. Denn Menschen im Krieg sind Verfügungsmassen fremder Interessen. Das ist nicht Ehre, sondern Elend.“
Hier geht’s nun zum Hauptgegenstand dieses Blogbeitrages:
Russlands Krieg: Immer schon hatten sie recht, die uns warnten
Die Redaktion INFOsperber ergänzt die Thomas-Fischer-Kolumne vom 12.04.2022 so:
Auf der Suche nach Wahrheiten über den Krieg droht dem starken Gefühl das Schlimmste: Relativierung!
Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie unser Blogger tatsächlich noch Beiträge findet, die nicht eineindeutig den verbrecherischen Angriffskrieg von Russland in die Ukraine ohne Wenn und Aber verurteilt.
Ich habe mir fest vorgenommen, nicht mehr auf die relativierenden Kommentare von auch hochgestellten Zeitgenossen zu antworten. Doch auf den höchstumstrittenen ehemaligen Richter des BGH (Strafgerichtshof), Thomas Fischer, muss ich antworten. Fischer ist und war bekannt als rechthaberischer Jurist. In seinen Kolumnen, seinen jährlichen juristischen Kommentaren, seinen gesellschaftlichen Einschätzungen und Urteilen, seinen Beiträgen und Interviews in der ZEIT oder im SPIEGEL. Und zwar nicht nur wegen seiner Art der brachialen Sprache, sondern auch der Verächtlichmachung, ja der Erniedrigung wenn es um bestimmte Personen und Personengruppen geht. Beispiel: In dem abgedruckten Interview „Rotes Sofa“ mit dem RND, zum 100-Milliarden Rüstungsprogramm zählt er einige Kriegsereignisse wie die Bombardierung Dresdens 1945, von Harris Truman, (Bomber-Harris), Churchill, Georg W.Bush (Oligarch), dem Jemenkrieg, Irak, Afghanistan, Syrien, Kongo, Westjordanland etc. auf (vergessen hat er den Balkankrieg), um irgendwie eine Relativierung des Ukrainekrieges herauszuarbeiten. Dabei geht er Habeck und Baerbock hart an und wirft ihnen Zeitenwende-Romantik vor, als hätten sie schon damals eine moralische Verantwortung gehabt. Seine Wertung zum 100-Milliarden Rüstungsprogramm gipfelt in der Aussage: „ … es hätte vor 25 Jahren zum Massenhungerstreik sämtlicher Landeskirchen, Gewerkschaften, Universitäten und Biobauernhöfe geführt“. Diese Rhetorik lässt den erzkonservativen Blick auf alles liberale und grüne Gedankengut erkennen. Fischer ist m.E. nach ein rechter Scharfmacher. Er arbeitet jetzt in der Münchener Kanzlei Gauweiler – da gehört er hin. Da kann er die Schutzmaskenprofiteure Tandler, Huml und Sauter juristisch beraten.
Lieber Alfons Maximini,
„unser Blogger“, Danke für die freundlich klingende Umschreibung meiner Person. Zu Deinem „ohne Wenn und Aber“, ist ohne Wenn und Aber in mehreren meiner Blogbeiträge und nachlesbar mein Standpunkt deutlich; vorausgesetzt, man lässt die eigene Auffassung mal außen vor und verlangt nicht die absolute wortgetreue Gleichschaltung anderer Auffassungen mit der eigenen. Um auf Deine Formulierung, Fischer sei ein rechter Scharfmacher einzugehen; Konrad Adenauer, sicherlich kein linksliberaler Politiker sagte einmal richtig: „Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, taugen beide nichts.“ Eigentlich gut für uns beide zu wissen, dass wir nicht zu den Untauglichen gehören, obwohl wir grundsätzlich zumeist gleicher Meinung sind.
Was Thomas Fischer sagt, kann ich in (fast) allen Punkten unterschreiben.
Leider fehlt mir eines aber immer noch – dass man der Ukraine uneingeschränkt zugesteht, nicht untergehen zu wollen.
Acht Jahre lang wird im Donbass geschossen, werden wir belehrt. Ja, stimmt, aber etwa nur in eine Richtung? Oder sind da nicht zu Anfang seltsame grüne Männchen aufgetaucht, die inzwischen die Uniformen angelegt haben, die sie damals „vergessen“ hatten?
Ich hatte auch beim zweiten Irak-Krieg öffentlich verlangt, man sollte G.W. Bush gleich neben dem gehenkten Diktator platzieren. Und Prinz Salman gehört in den Knast und nicht auf den saudischen Thron. Da bin ich mit allen Moralisten einig. Da bin auch ich der Meinung, dass hier die Scheinheiligkeit des Westens sichtbar wird.
Deswegen versteige ich mich aber jetzt nicht(mehr) zu der Behauptung, die Nato sei dem russischen Bären immer näher auf die Pelle gerückt. Wozu? Um Russland zu annektieren? Die Länder, die der Nato beigetreten sind, taten das aus dem selben Grund, warum Finnland und Schweden jetzt gleichfalls intensiv über einen solchen Schritt nachdenken – sie wollen vom Bären nicht unversehens gefressen werden. Das ist der entscheidende Punkt. Es geht auch nicht nur um die Nato, es geht vor allem um das europäische System.
Warum wir beim Ukraine-Krieg empfindlicher sind als beim Jemen, als bei Syrien oder Afghanistan?
Ganz einfach: um zum Krieg zu gehen, müssen wir nur noch durch ein einziges benachbartes Nato-Land, durch Polen.
Es ist die unmittelbare Nähe der Ereignisse, die uns besorgt macht Hier ist Europa, hier ist eine funktionierende Zivilisation, hier herrscht das Recht, die Demokratie, die Freiheit. Ein Vergleich mit Russland reicht völlig aus, um zu wissen, was Putin treibt. Es ist die Sorge, dass sein Mafia-System in unmittelbarer Nähe demokratisch verfasster Länder nicht mehr all zu lange existieren könnte. Ein Nawalny reicht ihm, er will nicht hunderte davon erleben.
Zu „gesichtswahrenden Verhandlungen“ frage ich mich ob der Gräuel, die Putin zu verantworten hat, welches Gesicht er denn noch wahren möchte, das hat er doch längst verloren.
Jedes Zugeständnis an ihn wäre eine Belohnung für sein Tun. Deshalb gilt die klare Ansage: bis hierhin und nicht einen Schritt weiter!
Es sei denn, wir möchten alle in putinscher Manier regiert werden. Ist ja auch eine Alternative.