“Wir wollen” die SPD erneuern

Der große Wurf kann aber, wenn überhaupt, nur mit “Wir werden” gelingen

Ein neuer Aufbruch für Europa

Schön, wenn er denn kommt. Hierüber entscheiden, trotz guter Absicht weder die deutschen Wählerinnen und Wähler, noch SPD oder CDU/CSU. Den neuen Aufbruch schaffen nur die EU-Staaten mit all ihren Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam; ein unendlich weiter Weg. Für das SPD-Wahlprogramm eher nichtssagend.

Eine neue Dynamik für Deutschland

Noch mehr Dynamik, wo sich doch Finanz- und Güterwirtschaft heute schon überschlagen. Die deutschen Wählerinnen und Wähler haben von der bisherigen und werden von der künftigen Dynamik eher weniger Vorteile haben. Die Sorge sollte sein, was mit den Arbeitnehmern geschieht, wenn die Dynamik schwindet; und sie wird eines Tages schwinden. Was bleibt sind die nicht korrigierten Gesetze und Verordnungen der Agenda 2010 und die bitteren Folgen der Arbeitslosigkeit in Hartz IV.

Ein neuer Zusammenhalt unser Land

Zusammenhalt in unserem Land zielt aus politischer Sicht auf das glückliche Familienbild. Für die glückliche Familienbild gilt heute in erster Linie der sichere Arbeitsplatz für eine gute und kalkulierbare Lebensperspektive. Wie schnell fällt z.B. der Zusammenhalt den Hartz IV-Gesetzen zum Opfer, die zum Beispiel und unter anderem die Sätze der Bedarfsgemeinschaft für Kinder um das Kindergeld kürzen. Die SPD hat es versäumt, ihre Todsünden der Agenda 2010 zu korrigieren und wird deshalb weiter auf den Abgrund zusteuern.

Diese GroKo-Schlagworte des neuen “vorwärts” veranlassten sowohl Alfons Maximini als auch mich, neue Argumente zu den unzähligen weiteren Unzulänglichkeiten der Koalitionsverhandlungen der SPD mit CDU/CSU zu beleuchten und deutlich zu benennen. Alfons Maximini – selbst strapazierter Sozialdemokrat – gab mal wieder den Blogger, dessen folgender Beitrag mit dem Satz abschließt:
“Das gibt dann endlich die Gelegenheit die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten, zu analysieren und entsprechende Antworten auf die neue Lage in Deutschland, Europa und der Welt zu entwerfen.”

SPD vor der Abstimmung

Von Alfons Maximini, 18. Febr. 2018

Die angesagte Rochade zwischen Martin Schulz und Andrea Nahles vom 7.02.2018 ist schon wieder Schnee von gestern. So schnell kann kein Kommentator denken, wie sich die Ereignisse in der SPD-Zentrale überschlagen. Dieses Drehbuch kann sich keiner ausdenken. Schulz/Nahles – Gabriel/Schulz. Scholz? Ja-Scholz(!).

SPD-Interimsvorsitzender Olaf Scholz geht dann auch gleich in eine Position, die man nicht unbedingt als bare Münze, eher als sog. Bitcoins, ansehen sollte. Seine öffentlichen Worte, in vier Jahren werde die SPD die Mehrheit im Deutschen Bundestag erringen, lösten eher Verwunderung aus, wenn er 30+X Prozent vorlegt. Er ist aber nur vorübergehender Vorsitzender und kann ungestraft solches äußern.

In meinem Blog vom 1. Febr. 2018, habe ich  vermutet, dass sich die Wahlergebnisse zwischen SPD und AfD drehen werden. Nach der aktuellen Umfrage von ARD liegt die SPD mit einem Umfragewert von 16 Prozent gerade noch eineinhalb Prozent über den Rechtsnationalisten.

Darf das wahr sein?

Und in diesen Umfragen manifestiert sich immer mehr, dass die Wählerinnen und Wähler den Eindruck gewonnen haben, bei der SPD geht’s nur noch um Postengeschacher. Gleichwohl von den Protagonisten immer wieder betont wird: Die Inhalte zählen.

Gut – dann zähle ich mal die Inhalte:

Pflege: Achttausend neue Pflegekräfte für Senioren oder/ und Krankenhausfachkräfte. Wo sollen diese notwendigen Fachkräfte denn herkommen abgesehen dass diese Anzahl nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein wird? Wo sind denn diese Tausenden von Bewerberinnen und Bewerber in der Vergangenheit geblieben? Die Ausbildung kostet Zeit und  selbst dann lösen diese Kräfte nicht das grundsätzliche Dilemma in der Pflege von Kranken und alten Menschen. Ich weise auch auf die hohe Fluktuation des Pflegepersonals hin. Personalschlüssel, Schichtbetrieb, Verantwortung, Wertschätzung, Organisation und die Pflege am Menschen selbst, sind nicht gerade der Traumberuf.  Es muss ein ganz anderer Pflegeentwurf her. Selbst der vereinbarte Wille einer flächendeckenden Tarifausstattung kann das grundsätzliche personelle Defizit und die organisatorische Struktur der Häuser nicht lösen. Übrigens werden Tarifverhandlungen noch immer von den Tarifpartnern ausgehandelt und nicht am Kabinettstisch. Die jetzt schon horrenden Pflegesätze in den einzelnen Pflegegraden müssen für die Mehrheit der Menschen bezahlbar sein. Die Pflegeversicherung kann doch jetzt schon nicht mehr  die Lücke zwischen Rechnung und Abrechnung schließen. Ein kompletter Neustart in der Pflegepolitik muss her.

Rente: Das Rentenniveau soll nun auf 48% gesetzlich bis 2025 festgeschrieben werden. Doppelte Haltelinie! Das weitere Verfahren soll einer Kommission überlassen sein. Nur – die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen doch jetzt eine gesicherte Perspektive bekommen, wie hoch ihre Beiträge nach 2025 sind. Es sind nur noch knapp sieben Jahre bis 2025. Experten schätzen einen Beitragssatz von plus 9% bis 10 % auf den bisherigen Satz. Sollen sie die Katze im Sack kaufen??? Nein! Außerdem hätte sich auch mit der bisherigen Regelung nichts an diesen Zielen verändert. Lediglich 0,6 % waren in der bisherigen Vereinbarung von Andrea Nahles bis 2025 nicht gesichert. Diese Koalitionsvereinbarung als großartig (fast wie bei Trump) zu verkaufen, ist den Menschen „Sand in die Augen gestreut“.

Leiharbeit und Befristung: Wird als großer Durchbruch gefeiert. Letztendlich wird die Befristung von vorher 24 auf jetzt 18 Monaten gekürzt(!). Kettenverträge sollen also auf fünf Jahre begrenzt bleiben. Wo ist denn da die erwartete Wende bei den sachgrundlosen Befristungen?

Gesundheitspolitik: Die Krankenkassenbeiträge werden wieder paritätisch zwischen Arbeitgeber und –nehmer eingezogen. Na – Super! Wer hat denn die bisherige Unparität zu verantworten? Die SPD!!!

Ein zentrales Telefonportal (welches für Facharztbesuche bereits besteht – aber völlig unbefriedigend angenommen wird) soll der Clou sein. Da hilft auch keine bundeseinheitliche Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Beispiel gefällig: Am 5. Jan. 2018, wollte ich einen Termin mit meinem Hausarzt vereinbaren. Vor dem 15. März 2018, gab es keinen. Anderes Beispiel: Eine turnusgemäße Untersuchung beim Proktologen erst am 30. Juli 2018, jährliche Vorsorge beim Urologen erst am 10. April 2018. Beide Terminlagen in der 2. Januarwoche vereinbart. Was nutzt dem Patienten ein zeitnaher Termin in Hannover? Abgesehen vom Arzt meines Vertrauens zu sprechen.

Bürgerversicherung ad acta gelegt. Die Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten bleibt weiterhin fortbestehen. Die Privilegierten feiern Urstände.

Steuerpolitik: Der Soli soll für 90 % der Zahler auf Null gestellt werden. Allerdings erst ab dem Jahr 2021. Zunächst um 10 Mrd. Euro. Also ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl. Ein Schelm der Schlechtes dabei denkt.

Den Mut, eine neue Erbschaftssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz einzuführen, hatten die Koalitionäre nicht. Es wurde ersatzweise auf ein Reparieren des bisherigen Instrumentariums gesetzt.

Mieten: Laut der aktuellen Untersuchung der Mietpreisbremse ist sie doch nicht so schlecht wie schlecht geredet. Trotzdem bleibt in den großen Städten das Problem, eine für Durchschnittsverdiener bezahlbare Wohnung zu finden. Ich spreche nicht von München, Berlin, Hamburg oder Köln. Jetzt dürfen Vermieter nur noch 8% der Sanierungskosten auf die Miete umlegen. Vorher: 11%. Die Miete darf allerdings in sechs Jahren um 3,- € pro qm steigen nach erfolgter Modernisierung. Dies ist letztlich auch keine geringe Steigerung. Dass einem Neumieter die Vormiete nachgewiesen werden muss, ist doch eine moralische Selbstverständlichkeit.

Das wieder eingeführtes Baukindergeld von 1.200 € pro Jahr und Kind auf zehn Jahre, ist sicher keine falsche Maßnahme. Aber das unwürdige Verdrängen von Mietern in Altbauwohnungen, die zur Sanierung an stehen, die dann an betuchtere Mieter weitervermietet werden, wird damit nicht Einhalt geboten. Hier muss es eine Neuregelung der Bodengrundwerte oder eine höhere Besteuerung des Vermieters geben; ohne Umlegung auf die neuen Mieten. Nur so können der Immobilienwirtschaft Schranken in ihrer Verdrängungsstrategie aufgezeigt werden. Für die Städtebauentwicklung sind sozialgewachsene Quartiere gerade im Altwohnungsbestand wichtig.

Kindergeld: Ein probates Mittel für Familien mit Kindern. Oft wird es als Mitnahmeeffekt gar nicht wahrgenommen. Ab 2019, 10 Euro mehr pro Monat und Kind; ab 2021 – also kurz vor den Neuwahlen, nochmals die restlichen 15 Euro. Dagegen ist nichts zu sagen. Ein echter sozialdemokratischer Vorschlag.

Hartz IV – Gesetze: Korrektur – Fehlanzeige

Tierschutz: Einführung eines Tierwohllabels und den Willen wegen den Tiertransportzeiten mit der EU zu sprechen.  Das war es. Massentierschlachtungen über Bedarf, unwürdige und tierquälerische Transporte und Haltungen, Kastrationen und Aussortierungen, Kontrollverschärfung und Sanktionierungen – Nichts.

Digitalisierung: Schon im Koalitionsvertrag 2009 wurde lauthals eine Standardversorgung mit 2 MBit/sec bis 2014 versprochen. Noch nicht mal das wurde bis heute erreicht. Jetzt wird von einer G-Offensive gesprochen. Durch erneute Versteigerung von Lizenzen  sollen 10 bis 12 Mrd. in die flächendeckende Digitale Welt investiert werden. Dafür stehen überhaupt keine Planungs- noch Ausbaukapazitäten zur Verfügung. Das hat man auch schon 2013 gewusst.

Einwanderungsgesetz: Was soll das für ein Einwanderungsgesetz für Facharbeiterkräfte sein? Wir werden auf Dauer ein Einwanderungsland für alle sein, die wegen der aussichtlosen Lebenssituation in ihren armseligen und von Despoten beherrschten Ländern nach Europa streben. Und in das wirtschaftsstarke Deutschland. Asylbegehrende werden nach wie vor Aufnahme in Deutschland erhalten. Das ist oberstes Menschenrecht. Leute, die ihre Identität nicht offen legen, die unsere Gesetze nicht achten, die kriminell unterwegs sind, die uns in betrügerischer Absicht unsere sozialen Netze ausnutzen, die als islamische Gefährder bekannt sind, die sich nicht integrieren lassen, müssen schnell und nach rechtsstaatlicher Prüfung unmittelbar zurückgeführt werden. Dafür bedarf es auch einer personellen Verstärkung der Bundespolizei, der Polizei, der Ermittlungsbehörden und der Entscheider in den Gerichten.

Wer den kompletten Koalitionsvertrag liest kann nur den Eindruck gewinnen: „Ein weiter so“, mit Korrekturen. Das ist nicht dass, wofür wir Sozialdemokraten Wahlkampf gemacht haben und wofür ein großer Teil der Wähler stehen.

Die Quintessenz der Vereinbarung steht für: …. wir wollen, wir wollen, wir wollen, wir prüfen, wir prüfen, wir prüfen…………

Alles in Allem ist das ein Laborieren an den Symptomen.

Ich kann nur hoffen, dass sich die SPD-Mitglieder gegen eine GroKo aussprechen. Das gibt dann endlich die Gelegenheit die Fehler der Vergangenheit auf zu arbeiten, zu analysieren und entsprechende Antworten auf die neue Lage in Deutschland, Europa und der Welt zu entwerfen.

 

 

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Deutschland, Sozialdemokratische Partei Deutschlands veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu “Wir wollen” die SPD erneuern

  1. Bernd Metrich sagt:

    Gestern las ich, dass, wie es meine Befürchtung war, die Partei unter den Wert der AFD gefallen ist. Ist ja kein Wunder. Die Parteispitze ist nach wie vor, weiterhin fernab jeder Realität. Anstatt sich innerlich zu Zerfleischen und mit dem Postengeschachere die letzten Sympathien zu verspielen, hätte man nach den Wahlen, wie angekündigt, in die Opposition gehen müssen. Um in den nächsten Jahren durch eine konstruktive Oppositionspolitik sich von Grund auf erneuern. Wenn die Partei so weitermacht, wird sie irgendwann in der Bedeutungslosigkeit versinken. Bei Durchsicht des GroKo Vertrages fiel mir auf, dass sich einiges, so Ähnlich nur anders Formuliert, schon im letzten Vertrag stand. Dieses wird wohl genauso wenig umgesetzt werden als in der letzten Legislaturperiode. Die CDU-CSU denkt, versprechen wir es mal, ob wir es auch umsetzen steht in den Sternen. Hauptsache weitere 4 Jahre an Muttis Brust sich laben. Der Parteispitze ist es bei den Verhandlungen wohl mehr darum gegangen, so viele wie mögliche Ministerien zu besetzen, schmückte sich mit angeblichen Verhandlungserfolgen nur um der Basis eine Rechtfertigung zur erneuten GroKo zu liefern. Man hat mit der CDU-CSU geklüngelt anstatt die Forderungen in der Steuer, Renten und Gesundheitspolitik durchzusetzen. (Sprich: Reichensteuer, Grundrente, Beitragspflicht für alle in die Rentenversicherung, Abschaffung der Zweiklassenmedizin, usw.) Aber noch ist es nicht zu Spät. Stoppt diesen GroKo Irrsinn um wenigstens noch ein klein bisschen Achtung in der Bevölkerung zu behalten und seid nicht unterstützendes Werkzeug für Muttis Traum um jeden Preis, ihren politischen Ziehvater zu übertreffen, koste was es wolle.

  2. Gabriela Linden sagt:

    Ich pflichte Alfons Maximini bei, auch ich hoffe, dass sich die SPD-Mitglieder gegen eine erneute große Koalition aussprechen werden. Es wäre das falsche Signal, letztendlich würde es für ein „weiter so“ stehen, Abwärtstrend in Richtung 15% inbegriffen. Und gerade das will die Basis nicht. Das was bisher ausgehandelt wurde mag das Maximum sein was mit CDU/CSU zu machen ist, aber es ist schlicht und ergreifend zu wenig.

    Gabriela Linden

  3. Raimund Scholzen sagt:

    lieber Alfons, du hast recht: ein “weiter so mit korrekturen.” aber, sagen wir mal so: ich bin der meinung, unsere vertreter haben das äußerste aus den Unionsparteien herausverhandelt, was herauszuverhandeln war. die CDU, deren maxime (wie einst bei Adenauer) immer noch heißt: “keine experimente” und keine neuen ideen, die deshalb ideen höchstens von ihrem bayrischen landesverband namens CSU als wadenbeißer formulieren lässt. und die relative mehrheit der wähler/innen scheint jegliche veränderung ebenso als teufelszeug anzusehen und hat eben deshalb diese Unionsparteien gewählt: es ist so! ich habe trotzdem mit bauchweh mit “JA” gestimmt, weil ich der meinung bin, wenn die GroKo nicht zustandekommt, dann scharrt das neo-nationaliberale Trio Dobrindt-Spahn-Lindner mit den vorderhufen und sucht sich im falle einer minderheitsregierung die nötigen mehrheiten auf der rechten seite – und da gibt es einige schnittmengen. vor solchen mehrheiten fürchte ich mich: Franz v. Papen lässt grüßen.

Kommentare sind geschlossen.