Rolf Mützenich

Ein eindrucksvoller Name im politischen Berlin; ein Lesezeichen für Sozialdemokraten und verlorene sozialdemokratische Wählerinnen und Wählern

Ein Leitartikel in der regionalen Tageszeitung Trierischer Volksfreund vom 28. Mai 2020, geschrieben von Berlin-Korrespondent Werner Kolhoff, veranlasste mich zu einem Leserbrief, den die Zeitung am 06.06.2020 veröffentlichte (Den Leserbrief habe ich hier verlinkt in dem Wissen, dass der Trierische Volksfreund weniger flächendeckend gelesen wird, als oft angenommen). Rolf Mützenich sei „weithin unbekannt“ und „kein Vorteil für die SPD“, so der Tenor in Kolhoffs Leitkommentar.

Der folgende Blogg-Text ist für mich nun schon fast als Pflichtaufgabe entstanden, weil es offensichtlich Kolhoffs Schuldigkeit war, die SPD im 15-Prozent-Keller festzuschreiben. In der eher links-progressiven Wochenzeitung „derFreitag“, vom 14. Mai 2020 hat Wolfgang Michal, Journalist und Autor, Mützenich so beschrieben, wie und was er ist; ein be- und anerkannter deutscher Spitzenpolitiker.
Die folgende Abhandlung ist an das ” Porträt des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich” in derFreitag angelehnt.
Originaltitel und Rubrum:

Stur für die Entspannung

Rolf Mützenich kämpft seit jeher für Frieden und den Abzug der US-Atomwaffen – auch jetzt als SPD-Fraktionschef

Rolf Mützenich – Foto: Benno Kraehahn

Kurz-Vita von Rolf Mützenich (Wikipedia): Sohn einer Arbeiterfamilie, begann nach dem Abitur 1978 im Jahr 1979 ein Studium der Politikwissenschaft, der Geschichte und der Wirtschaftswissenschaft, das er 1990 als Diplom-Politologe beendete. Neben dem Studium organisierte er für Kölner Landtags- und Bundestagsabgeordnete Wahlkämpfe und ihre Büroarbeit. Zum Beispiel für Konrad Gilges, seinem unmittelbaren Vorgänger im Wahlkreis. 1991 erfolgte seine Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Bremen mit der Arbeit „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik – historische Erfahrungen“.

Wer ist nun dieser Rolf Mützenich, der im Deutschen Bundestag am 24.09.2019 von der SPD-Fraktion zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde. Als Andrea Nahles, bis dahin Bundestagsfraktionsvorsitzende, im Juni 2019 alle ihre Ämter niederlegte, war Mützenich nach Ansicht der Partei- und Fraktionsführung der Richtige. Nach Ansicht gewisser Medien erschien er als einer, der „kein Machtpolitiker“ ist; das sollte heißen, er war ungefährlich, zu Deutsch: harmlos.
Der harmlose und bescheidene Rolf Mützenich, 60, hat anderes im Sinn. Er verfolgt eine „linke Agenda“ mit Ausdauer und Geradlinigkeit, fernab von jeder Radikalität. Seine schon sprichwörtliche Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit begründeten das Vertrauen für die neue Aufgabe als Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Seine jahrzehntelangen Bemühungen für Abrüstung sind ein Markenzeichen von Rolf Mützenich. Der Abzug der Atomwaffen aus Deutschland war und ist hierbei eine seiner Hauptforderungen.
Bei der Frage um einen neuen Wehrbeauftragten löste sich Mützenich jüngst vom bisherigen SPD-Mann Hans-Peter Bartels. Dass er im Rahmen seines Vorschlagsrechts nicht den konservativen Medienfavoriten, den SPD-Mann und Seeheimer-Chef Johannes Kahrs nominierte, veranlasste die FAZ zu der scheinheiligen Frage: „Zerlegt Rolf Mützenich gerade seine Partei?“
Mützenichs Zielrichtung war deutlich; die SPD-Frau Eva Högl, erfahrene Parlamentarierin, wurde vom Bundestag auf Vorschlag der SPD-Fraktionsspitze, zur neuen Wehrbeauftragten gewählt. Dem gemeinsamen Wahlvorschlag von CDU/CSU und SPD stimmten 389 Abgeordnete zu, 171 Abgeordnete enthielten sich, vier Stimmen waren ungültig. Für die Wahl war die Kanzlermehrheit von 355 Stimmen erforderlich.
Neue Töne waren zu vernehmen, als Mützenich an die Grundlagen der SPD erinnerte. Gegen die populistischen Scharfmacher und Säbelrassler der CDU an den Rand gedrückt, sieht er seine Aufgabe darin, eine sozialdemokratische Tradition zu verteidigen; in erster Linie die Entspannungspolitik. Genau das entspricht der politischen Intension des Rolf Mützenich.
Als Kind ging der junge Rolf zu den Falken, der „Sozialistischen Jugend Deutschlands“. Als Sechzehnjähriger trat 1975 in die SPD ein; zu einer Zeit, als bei den Jusos erbitterte Richtungskämpfe tobten. Schon damals ging es um verbotene politische Aktionsbündnisse, um Solidarität mit Salvador Allende, dem demokratischen Präsidenten Chiles, der vom Putschisten General Augusto Pinochet in den Tod getrieben wurde, um Berufsverbote, Neutronenbombe und atomwaffenfreie Zonen. Der von ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt initiierte Nato-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 entfachte den Streit über die Nachrüstung schließlich in der Gesamtpartei.
Auch das gehört zu Mützenichs politischer Laufbahn: Sein politischer Ziehvater und Vorbild Konrad Gilges war sein unmittelbarer Vorgänger im Wahlkreis „Chorweiler, Nippes, Ehrenfeld“. Gilges, erklärter Pazifist, Bundesvorsitzender der Falken, DGB-Kreisvorsitzender, gehörte zum „Urgestein“ der Kölner SPD. Im Bundestag stellte er sich rigoros gegen Militäreinsätze, Rüstungsexporte und Waffenkäufe. Das war Ehrensache, wie es auch jetzt bei Rolf Mützenich der Fall ist. Bemerkenswert, dass Gilges trotz seiner unpopulären Haltung im Bundestag immer wieder seinen Wahlkreis direkt gewann. Dass Rolf Mützenich bei allen Bundestagswahlen seit 2002 bis 2017 den Wahlkreis ebenfalls direkt gewann, ist wohl ein Qualitätsmerkmal ohnegleichen.
In der friedenspolitisch aufgeladenen Stimmung der 80er und 90er Jahre haben sich Mützenichs Überzeugungen gebildet. Seine Doktorarbeit, die er 1991 schrieb, hatte konsequenterweise die „atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik“ zum Thema. Die SPD-Bundestagsfraktion, der er seit 2002 angehört, hatte ihm wegen seiner ambitionierten Grundhaltung zum Sprecher der „Arbeitsgruppe Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“ berufen. Der Besitz der Doktorwürde und seine friedenspolitische Festigkeit prädestinierten ihn deshalb zu einem Lehrauftrag an der Kölner Uni. Seine Themen, wie könnte es anders sein – „Abrüstung und Rüstungskontrolle im 21. Jahrhundert“.
Prägend für den heutigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Mützenich ist die Feststellung des Journalisten und Autors Wolfgang Michal in der Wochenzeitung derFreitag ,Nr. 20, vom 14. Mai 2020: „Nach Willy Brandt und Egon Bahr gibt es wohl keinen SPD-Abgeordneten, der sich so gut auskennt in internationalen Verhandlungsfragen wie Mützenich. Sein Ex-Chef Peter Struck rief bei komplexen Sachverhalten immer: „Mütze, erklär’ uns das mal!“
Auch Außenminister Heiko Maas wird Mützes Sachkenntnis sicher zu spüren bekommen.  Einige „wichtige“ Journalisten werden das als Konkurrenzgerangel interpretieren. Aber so ist Mütze nicht gestrickt. Als Arbeiterkind weiß er, was er seiner Partei verdankt.  Und was er ihr schuldet: Loyalität. Den kölschen „SPD-Klüngel“ aus mittelrheinischer SPD, städtischen Betrieben, Gewerkschaften, Arbeiterwohlfahrt, Stiftungen, Vereinen und Förderkreisen würde er nie antasten. Für Versorgungsfälle hat er Verständnis, das ist Teil der Solidarität.  Lukrative Pöstchen und Nebenerwerbstätigkeiten für sich hat er jedoch immer abgelehnt.
Seine Feindbilder liegen außerhalb der Partei. US-Präsident Trump nennt er einen „Rassisten“, „Schutzgeldeintreiber“, „Lügner und Steuerbetrüger“. Auch für Erdoğan hat er wenig übrig. Mützenichs Schärfe resultiert ganz aus der Sache. Und die heißt: Frieden durch Abrüstung. Dass er als Linker den rechten Seeheimer Kreis mal eben im Vorbeigehen „enthauptete“ und den notorischen Strippenzieher Johannes Kahrs in die Resignation trieb, war sicher keine Absicht. Es war nur die logische Folge.

Mehr vom SPD-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag unter: STANDPUNKTE

 

 

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2 Antworten zu Rolf Mützenich

  1. Pingback: Da war doch noch was! | Von links gedacht

  2. Peter Kühn sagt:

    Solange sich die SPD nicht von der Agenda 2010 von Gerhard Schröder distanziert oder wenigstens die Folgen dieser Agenda anprangert und zu ändern versucht, wird es diese SPD nicht aus dem Tal der Tränen schaffen. Ich wünsche der SPD den Mut, Fehler aus der Agenda 2010 einzugestehen. Der größte Fehler der Agenda 2010 war m.E. die Abschaffung der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge. Auch wenn diese teilweise wieder eingeführt wurden. Das hat Dumpinglöhne erst möglich gemacht. Es gibt durch diese Agenda so viel mehr Armut und Ungerechtigkeit in Deutschland. Wie etwa Wohnungsnot oder, dass Menschen auf eine Tafel angewiesen sind. Das ist eine Schande, wenn man bedenkt, das auf der anderen Seite der sozialen Schere es Menschen gibt, die mal gerade schnell 50.000 Euro ausgeben um nach Afrika zu fliegen und einen Elefanten oder eine Giraffe zu töten und sie sich als Trophäe ins Wohnzimmer zu hängen.

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