Sigmar Gabriel in der GroKo-Falle?
Muss er den Kopf für Angela Merkel hinhalten?
In der SPD und auch in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung schwillt das anfängliche Murren gegen die Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und EU sowie gegen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und der EU an. Der Unwille in der SPD richtet sich gegen den Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
Die Bundeskanzlerin steht trotz ihrer berühmten „alternativlosen“ Pro-Standpunkte für CETA und TTIP wie immer außerhalb jeglicher Kritik; bei unbequemen und unpopulären Entscheidungen lässt sie anderen den Vortritt.
Die SPD, die bis dato in der Großen Koalition ihre Forderungen aus dem Koalitionsvertrag weitgehend durchgesetzt hat, ist auf dem besten Weg, die hier und da entstehende Zustimmung wieder leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Schuld könnte ein schwerwiegender Wortbruch Gabriels sein, wider alle Beteuerungen, wie zuletzt beim Parteikonvent der SPD in Berlin am 20. September 2014, nun auszusagen:
Deutschland könne wirtschaftlich abrutschen, wenn es CETA und TTIP ablehne; und so legt Gabriel noch eins drauf und schlägt einen Pflock ein: „Wenn der Rest Europas dieses Abkommen will, (…) dann wird Deutschland dem auch zustimmen.“
In Anlehnung an den auf dieser Seite am 22. Januar 2014 veröffentlichten Beitrag: Verhandlungspause bei Freihandelsabkommen EU-USA sind die Beschlüsse des SPD-Parteikonvents und die aktuellen Stellungnahmen von Sigmar Gabriel zu hinterfragen.
Gabriela Linden, Temmels
schreibt zum verhängnisvollen Investor-Staat-Schiedsverfahren bei CETA und TTIP:
Sigmar Gabriel und der Beschluss des Parteikonvents der SPD in Berlin am 20.09.14:
Beim 5. Parteikonvent in Berlin, am 20. September 2014, hat Sigmar Gabriel
folgenden Beschluss mit herbeigeführt: „Prinzipiell ist auszuschließen, dass das demokratische Recht, Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu schaffen, gefährdet, ausgehebelt oder umgangen wird oder dass ein Marktzugang, der solchen Regeln widerspricht, einklagbar wird. Die Fähigkeit von Parlamenten und Regierungen, Gesetze und Regeln zum Schutz und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, darf auch nicht durch die Schaffung eines „Regulierungsrates“ im Kontext regulatorischer Kooperation oder durch weitgehende Investitionsschutzvorschriften erschwert werden. Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden…“.
Nun ist zu lesen (und zu hören), dass Sigmar Gabriel grünes Licht für das Handelsabkommen CETA geben will, denn, so sagt er am 25.11.14 im Bundestag: „Wenn der Rest Europas dieses Abkommen will, … dann wird Deutschland dem auch zustimmen. Das geht gar nicht anders“.
Sigmar Gabriel will der Öffentlichkeit damit offensichtlich vermitteln, dass er, als Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, in seiner Funktion als Wirtschaftsminister und Parteivorsitzender der SPD das CETA-Abkommen nicht ablehnen kann, einschließlich der Investorenschutzklausel. Wenn dem so wäre, wozu diente dann der Beschluss des SPD Parteikonvents am 20. September 2014?
„Mitsprache tut der deutschen Politik gut. Deswegen kommen auch wieder mehr Menschen in die SPD. Sie wollen mitmachen und direkt mitentscheiden, wenn es um die großen Fragen geht.“(Vorwärts, Seite Zwei, Auf ein Wort von Sigmar Gabriel)
Sind CETA, TTIP und die damit verbundenen Investorenschutzklauseln keine „großen Fragen“? Hat Sigmar Gabriel nicht den Eindruck erweckt, dass er das CETA-Abkommen ablehnt, sollte es Investorenschutzklauseln enthalten? Hat er nicht mitgeteilt, dass es ohne Beschlussfassung in der Partei keine Zustimmung geben wird?
Fazit:
Sigmar Gabriel kann den Beschluss ignorieren, nur fehlt ihm dazu die Legitimation. Was bedeutet es, eine Entscheidung dieser Tragweite ohne Rückendeckung durch die Parteibasis und zahlreicher kritischer Bürgerinnen und Bürgern zu fällen?
Die Folgen für die SPD kann sich jeder ausmalen, wenn der Parteivorsitzende und Bundeswirtschaftsminister hinter sein eigenes Wort gehen würde. Auch für weite Kreise der Bevölkerung wäre das Vertrauen in die Worte des SPD-Bundeswirtschaftsministers beschädigt. Bei SPD-Parteimitgliedern käme darüber hinaus die gerade erst eingeübte parteiinterne Mitsprache bei wichtigen Themen in den Ruf der Unglaubwürdigkeit.
Ende des Kommentars
Anmerkung:
Wachsweiche Formulierungen des SPD-Vorsitzenden beim Parteikonvent am 20.09.2014 offenbaren die Optionen für die Hintertür bei den Aussagen. Allein der Gebrauch des Adjektivs „grundsätzlich“ im Sinne von Ausnahmen zulassend und „sollten“ lassen in dem Satz:
„Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden…“,
Zweifel an der Ernsthaftigkeit des gesprochenen Wortes zu.
Aktuell aus der SPD-Parteizentrale von heute 1. Dezember 2014:
Die SPD wird ihre Position zum geplanten Freihandelsabkommen gemeinsam und demokratisch festlegen. Die Entscheidung werde auf einem Parteitag oder einem Parteikonvent getroffen, kündigte Gabriel heute im Spiegel an.
Wegducken, bringt nichts. Den Welthandel stoppt das nicht, ist SPD-Chef Sigmar Gabriel überzeugt und wirbt dafür mitzureden, wenn über wichtige Standards verhandelt wird. Andernfalls werde Asien den Ton vorgeben. Die SPD wird eine gemeinsame Position zum Freihandelsabkommen auf einem Parteitag oder Parteikonvent festlegen.
Es geht um soziale und wirtschaftliche Regeln – und um Standards im Umweltbereich. Das sind Themen für die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA, das unter dem Kürzel TTIP polarisiert. Kritikerinnen und Kritiker fürchten, europäische Standards könnten abgesenkt werden.
An der Stelle gibt Gabriel hingegen Entwarnung. „Kein Freihandelsabkommen der Welt kann deutsche oder europäische Gesetze aushebeln“, sagte der SPD-Chef dem Spiegel. „Und es kann auch nicht kommende Gesetze durch die Drohung von Entschädigungszahlungen verhindern.“